Ganz normale Organisationen
17. Juni 2015
Soziologische Ansätze zur Erklärung des Holocaust
Vortrag im Rahmen des Konstanzer Kulturwissenschaftlichen Kolloquiums
Warum waren während der Zeit des Nationalsozialismus so viele Deutsche bereit, sich an der Vernichtung der europäischen Juden aktiv zu beteiligen? Mithilfe der soziologischen Systemtheorie wird dargestellt, wie Personen durch die Einbindung in Organisationen dazu gebracht wurden, Dinge zu tun, die sie sich außerhalb von Organisationen nicht hätten vorstellen können.
Die Ordnungspolizisten oder Wehrmachtssoldaten mögen über Zwang, über Geld, über die Freude an Brutalität oder über Kameradschaftserwartungen dazu motiviert worden sein, sich an Massenerschießungen zu beteiligen. Aber letztlich – so die These des Buches – war für den NS-Staat die Frage nach den unmittelbaren Motiven der an den Tötungen beteiligten Polizisten zweitrangig.
Es war die Einbindung in Organisationen des NS-Staat, die Personen mit ganz unterschiedlichen Motiven dazu bewegte, sich an Deportationen und Massenerschießungen zu beteiligen – und zwar unabhängig von ihren Motiven, Mitglied einer Gewaltorganisation des NS-Staates zu sein.
Prof. Dr. Stefan Kühl lehrt Soziologie mit Schwerpunkt Organisationssoziologie an der Universität Bielefeld. Zuletzt erschienen:
- Ganz normale Organisationen. Zur Soziologie des Holocaust (Suhrkamp 2014)
- For the Betterment of Race. The Rise and Fall of the International Movement for Eugenics and Race Hygiene (Palgrave Macmillan 2013)
deutsch: Die Internationale der Rassisten. Aufstieg und Niedergang der internationalen eugenischen Bewegung im 20. Jahrhundert (Campus 2013)
Mi, 17. Juni 2015, 18 Uhr s.t.
Universität Konstanz, Raum Y 311
Kontakt
Claudia Marion Voigtmann claudia.voigtmann[at]uni-konstanz.de